CAAL 2011 Frutillar
Neuntes Treffen der deutschsprachigen Gemeinschaften
Lateinamerikas
Noveno encuentro de las comunidades de habla alemana
de América Latina
Dr. med. P. Alejandro Ranitzsch:
Utz Schmidl und die erste Gründung
von Buenos Aires
Dr. Alejandro Ranitzch ist von Beruf Arzt und lebt in Buenos Aires. In
seinem Referat beschäftigt er sich mit der Geschichte der Eroberung Südamerikas
durch die Spanier und die damit verbundene erste Gründung von Buenos Aires.
Der nachfolgende Text ist von den Organisatoren des Treffens als
Zusammenfassung mit erweiternden Angaben zum Thema des Originalvortrags in
spanischer Sprache erarbeitet.
In der Auseinandersetzung um die Beherrschung der
Gewürzinseln (Inselgruppe der Molukken) machten sich die spanische und
die portugiesische Krone die Seewege und Besitzungen in Übersee streitig. Später
bereitete der Expansionsdrang Portugals von Brasilien aus nach dem Süden bis zum
Río de la Plata der spanischen Krone zusehends Sorge. Der spanische Konquistador
Pedro de Mendoza und sein deutscher Landsknecht Utz Schmidl
beabsichtigten deshalb, am Río de la Plata die spanische Herrschaft zu
sichern und den zunehmenden Einfluss des portugiesischen Imperiums auf
Südamerika einzudämmen. Aber war dies das einzige Motiv, weshalb Pedro de
Mendoza sein ganzes Vermögen für diese Expedition einsetzte? Aus dem
Bericht Utz Schmidls geht nach Meinung des Urologen Dr. Ranitzsch hervor, dass
Pedro de Mendozas Krankheit möglicherweise der wahre Grund war, weshalb er dem
spanischen König die Expedition anbot und bereit war, sie auch alleine zu
finanzieren. Anhand des detailliert geführten Berichts des deutschen Chronisten
glaubt der Referent, die ersten Marksteine der Geschichte Argentiniens
rekonstruieren zu können.
Die erste Gründung der Stadt Buenos Aires (1536–1541)
Der spanische Konquistador Juan Díaz de Solís
hatte 1516 den Río de la Plata entdeckt. Seine Expedition führte aber durch
einen Indianerangriff in der Nähe des heutigen Tigre zu einem blutigen
Ende, bei dem auch Solís ums Leben kam.
Die spanische Krone konnte aber keine Zeit
verlieren; denn seit Pedro Álvares Cabral 1500 Brasilien entdeckt hatte, drohten
die Portugiesen, sich nach Süden bis an den Río de la Plata auszudehnen. Pedro
de Mendoza schlug deshalb dem spanischen König Karl I., der als Karl V.
gleichzeitig auch deutscher Kaiser war, vor, mit einer Expedition, finanziert
mit eigenen Mitteln, in den Südatlantik zu fahren, um dort die Oberhoheit
Spaniens über diese Regionen zu festigen. Im Gegenzug erhielt Mendoza vom König
als Gouverneur und Generalkapitän der zu erobernden Gebiete zwischen dem 25. und
36. südlichen Breitengrad weitestgehende Rechte eines De-facto-Alleinherrschers
über weite Landesteile. Zudem hoffte Mendoza auf die sagenumwobenen Schätze an
Gold, Silber und Edelsteinen, die laut Aussagen von Eingeborenen im Inneren des
Kontinents verborgen waren.
Am 24. August 1535 legte Pedro de Mendoza, ausgerüstet mit 2650 Mann und 16
Schiffen, von der andalusischen Seehafenstadt Sanlucár de Barrameda ab. Auch die
deutschen Welthandelshäuser Welser und Neidhart aus Nürnberg waren mit einem
Schiff, das sie ausgerüstet hatten, an dem Unternehmen beteiligt. Mit an Bord
war der 25-jährige Utz Schmidl, Sohn des Straubinger Patriziers und
Bürgermeisters Wolfgang Schmidl. Er war einer von den «hundertfünfzig
Hochdeutschen, Niederländern und Sachsen», die an dem Abenteuer teilhaben
wollten.
Die Flotte fuhr im Januar 1536 in den Trichter des Río de la Plata ein. Am 2.
Februar 1536 gründete Mendoza Buenos Aires mit dem Namen Puerto de Nuestra
Señora Santa María del Buen Ayre (Hafen unserer lieben Frau, der Heiligen María,
des guten Windes), angeblich weil Mendozas Kaplan als Verehrer der Virgen de
Bonaria (Jungfrau des guten Windes) von Cagliari auf Sardinien den Namen
ausgesucht hatte. Nach einer anderen Überlieferung wurde der Name aufgrund der
guten Winde im Río de la Plata ausgesucht. Utz Schmidl hielt alle Begebenheiten
der Expedition gewissenhaft fest und wurde auf diese Weise zum Chronisten der
Ereignisse und frühen Historiker von Buenos Aires. Er gilt deshalb auch als
Mitbegründer der Stadt.
Nachdem Mendoza erst im Spätsommer auf dem südamerikanischen Kontinent gelandet
war, wurde es für die Aussaat von Getreide zu spät. Die lokalen
Querandi-Indianer waren Jäger und Sammler und wurden von den Spaniern gezwungen,
Nahrungsmittel für Mendoza und seine Truppen zu beschaffen. Sie reagierten
daraufhin mit wiederholten Angriffen. Schließlich gelang es ihnen im Dezember
1536 erstmals, die Verteidigungsanlagen der Stadt zu überwinden. Sie drangen in
die Stadt ein, legten Feuer und erreichten deren nahezu vollständige Zerstörung.
Mendoza und einige seiner Leute konnten sich in das in der heutigen
argentinischen Provinz Santa Fe gelegene Fort Sancti Spiritu flüchten, das 10
Jahre zuvor der Spanier Sebastián Gaboto am Río Carcarañá errichtet hatte.
Mendoza, der seit Jahren unheilbar an Syphilis litt, kehrte todkrank nach
Spanien zurück und starb noch auf hoher See in der Nähe der Kanarischen Inseln
am 23.
Juni 1537. Sein Leichnam wurde dem Meer übergeben. 1541 mussten die letzten in
der ehemaligen Befestigungsanlage von Buenos Aires zurückgebliebenen Siedler den
Ort wegen der ständigen Indianerüberfälle aufgeben.
Utz Schmidl kehrte erst nach Jahren des Abenteurertums 1554 in seine Vaterstadt
an der Donau zurück, wo er die Geschäfte seines Bruders übernahm und ein
geachteter Ratsherr wurde. Schmidl starb um den Jahreswechsel 1580/81 in
Regensburg, wo er die letzten Jahre verbracht hatte. An seinem ehemaligen
Wohnhaus in der Tändlergasse erinnert noch heute ein steinernes Wappen an den
Mitbegründer der Stadt Buenos Aires «Utz Schmidl aus Straubing».
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