Fünftes Treffen der
deutschsprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika
Bericht des Präsidentes des
Verbandes der Deutsch-Brasilianischen
Kulturvereinigungen
Das 5. Treffen fand am 6. bis 12. November 2007 in
Colonia Tovar, Venezuela, statt, 60 Kilometer von Caracas entfernt in bergiger
Gegend. Colonia Tovar war über ein Jahrhundert ohne großen Kontakt mit der
Außenwelt, was aber dazu beigetragen hat, den langen Erhalt der Sprache
(alemannischen Dialekt) und Kultur der aus Baden stammenden Einwanderern, die
1843 nach dort kamen, hauptsächlich aus Endingen am Kaiserstuhl. Heute ist
Colonia Tovar das grösste Tourismuszentrum von Venezuela und durch seine hohe
landwirtschaftliche Produktivität besitzt es eine hervorrangende wirtschaftliche
Situation im Land. Das Munizip Tovar zählt ungefähr 25000 Einwohner, davon rund 8000 deutscher Herkunft. Jedoch das
Stadtzentrum, Colonia Tovar, zeigt einen ausgeprägten deutschen Stil, was von
allen Einwohnern, gleich welcher Herkunft, gepflegt wird. Die kulturellen
Verbindungen mit Endingen wurden stark entwickelt, ein Verdienst des
Bürgermeisters Esteban Bocaranda und besonders von Dipl.-Ing. Leopoldo Jahn,
dessen deutscher Vorfahre schon 1835 nach Venezuela kam.
Im November 2003 fand das 1. Treffen in Montevideo,
Uruguay, statt, durch Initiative des aus São Paulo stammenden Italo-Brasilianers
Pietro Sandri Poli, wohnhaft in der Hauptstadt von Uruguay. Von ihm wurden
damals auch die Treffen der italienischen und britischen Gemeinschaften
organisiert, aber nur die Treffen der deutschen Gemeinschaften hatten Bestand.
Die Grundidee von Poli war die Integration und Annäherung der deutschstämmigen
Gemeinschaften der verschiedenen Länder in Lateinamerika, die Behandlung der
geschichtlichen Aspekte, des Erhaltes der Sprache und des kulturellen Erbes der
Vorfahren, Analyse der Perspektiven des sozialen und kulturellen Entwicklung und
Integration auf regionaler Ebene.
Die Initiative des Projektes des Treffens der
Deutschen Gemeinschaften in Lateinamerika entwickelte sich positiv: im Oktober
2004 das 2. Treffen in Santiago de Chile, Oktober 2005 das 3. Treffen in
Blumenau, Brasilien, September 2006 das 4. Treffen in Parana, in der
argentinischen Provinz Entre Rios und im November 2007 das 5. Treffen in Colonia
Tovar, Venezuela. Das 6. Treffen ist schon festgelegt für September in Juiz de
Fora (Minas Gerais) und ein Tag in Petrópolis (Rio de Janeiro), sowie das 7.
Treffen im Jahr 2009 in Pozuzo, Peru.
Leopoldo Jahn war der große «Motor» des Treffens, welches schon im 2. Treffen
2004 festgelegt wurde. Seit Anfang bekam er die volle Unterstützung von
Bürgermeister Esteban Bocaranda. Diese beiden Persönlichkeiten haben die
Gemeinde von Colonia Tovar motiviert zur großartigen Organisation dieses 5.
Treffens, einschließlich mit der Gründung der FUNDAPROCAAL, eine Stiftung, die
für das Organisationskomitee verantwortlich war, unter dem Vorstand von Frau
Haidy Collin.
Während des Treffens war die ganze Gemeinde von
Colonia Tovar engagiert in dem ausgearbeiteten Programm. Bürgermeister
Bocaranda, der schon mit einer zahlreichen Delegation an den vorigen Treffen in
Blumenau und Parana teilgenommen hatte, war stetig anwesend in allen Aktivitäten
des Treffens.
Am Abend des 6. November fand im Hotel Selva Negra
ein Willkommen-Cocktail statt, mit folklorischen Tanzvorführungen. Am 7.
November begann im Gebäude der UNEFA – Universidad Experimental de las Fuerzas
Armadas (trotz der Bezeichnung eine zivile akademische Institution, seit zwei
Jahren in Colonia Tovar ansässig) der wichtigste Teil des Treffens. Es sprachen
Begrüßungsworte Leopoldo Jahn (wies auf den Ursprung dieser Art Treffen hin und
den besonderen Verdienst des Inspirator Pietro Sandri Poli, und verlas die
spanische Fassung der erhaltenen Grußbotschaften der Deutschen Welt-Allianz –
Präsident Kean Schemm – und des Deutsch-Kanadischen Kongress – Präsident Anton
Bergmeier), Haidy Collin (Vorsitzende des Organisationskomitees), Bürgermeister
Esteban Bocaranda, Henry Vasquez (von der Stadtverordnetenkammer), sowie auch
der Deutsche Botschafter Georg-Clemens Dick und Frau Marianne Dacosta,
Botschafterin von Österreich in Venezuela.
Die in spanischer und portugiesischer Sprache
gehaltenen Vorträge, immer der Höhepunkt der Treffen, behandelten die
verschiedenen Themen über die deutschen Gemeinschaften in Lateinamerika,
geschichtliche Aspekte, Institutionen in den Gemeinden, Städten und Regionen
deutscher Herkunft, deutsche Sprache und Schulen, Erhalt der deutschstämmigen
Kultur, typische deutsche Architektur, Sprachverschiedenheiten und Erforschung
der Petroglifen durch österreichischen Wissenschftler.
Die brasilianischen Vortragenden waren: Nilo Sergio
Franck (Koordinator des 6. Treffen) «Juiz de Fora und Petrópolis, 149 Jahre
Integration und deutsche Kolonisation», Deutschlehrer Altair Reinehr «Der
Plurilinguismus in der heutigen Welt» und Jorge W. Globig (Präsident FECAB)
«Deutsches kulturelle Erbe in Brasilien – Munizipien mit den wenigsten
Analphabeten» und «Lauro Müller – der moderne Vorkämpfer der Integration
Lateinamerikas».
Die Themen der Vortragenden aus Argentinien waren
«Die Institutionen deutschen Ursprunges im neuen Jahrhundert» (Rodolfo Heppe –
Vize-Präsident des argentinischen Dachverbandes FAAG), «Geschichtliche
Aufzählung über die deutsche Einwanderung in der Provinz La Pampa» (Alejandra
Osterdag) und «Montecarlo/Misiones und seine deutsche Spuren» (Juan Plocher);
aus Chile «Die deutschen Schulen in Chile – ein Qualitätssymbol» (Jürgen
Holzhauer – Direktor der Deutschen Schule in Santiago) und «Die deutsche
Einwanderung im Süden von Chile» (Cristina Gleisner Vergara – Archivleiterin des
Deutsch-Chilenischen Bundes); aus Paraguay «Einwanderung – kulturelle und
wirtschaftliche Anpassung – Integration» (Alfredo Bachmann – ex-Bürgermeister
von Colonia Independencia); aus Peru «Pozuzo durch seine Geschichte zum 150.
Jahrestag der österreichisch-preußischen Gründung» (Wilfredo Laura Contreras –
Koordinator der Feiern des 150. Jahrestag der deutschen Einwanderung in Pozuzo)
und «Pozuzo: touristisches Ziel in Peru» (Nothburga Schmidt); aus Venezuela
«Kulturvereinigung Humboldt» (Präsident Eugenio Hernandez Breton), «Jokili – der
Geist des Karnevals, eine wahre Mischung der zwei Kulturen» (Erika Suhr de
Muttach), «Das deutsche Coloniero» (gemeint ist der alemannische Dialekt) (Haidy
Collin), «El Jarillo: ein deutschstämmiges Dorf mit landwirtschaftlicher
Prägung» (German Gerik), «Geprochene Literatur in Colonia Tovar» (Jeronimo
Alayón Gómez), «Historisches und Genealogisches Archiv Prof. Dr. Conrad Koch»
(Alexandra Collin), «UNEFA und Erziehung» (Fregattenkapitän a.D. Ramón Guerrero,
Rektor der Universität in Colonia Tovar), «CAVENAL: 52 Jahre Handels- und
Industrieintegration zwischen Venezuela und Deutschland» (Arno Erdmann –
Vorstandsmitglied der Deutsch-Venezolanischen Industrie-und Handelskammer), «Die
musikalische Manifestationen in Colonia Tovar» (Gregório Kanzler Blanco),
«Inventar der Petrogliefen in Colonia Tovar» (Peter Leitner und Isabel Jahn),
«AVAS: deutsch-venezolanische Hilfsorganisation – 165 Jahre die Hand
ausstreckend wo sie am meisten nötig ist» (Claudia Sierich – Vorstandmitglied
der AVAS) und «Die städtische architektonische Entwicklung von Colonia Tovar»
(Architektin Reymar Barrios).
Als paralelle Aktivitäten des Treffens fand ein
Besuch nach El Jarillo statt, ein von Deutschstämmigen aus Colonia Tovar
gegründetes Dorf, das einen sympathischen Empfang vorbereitet hatte.
Andere Aktivitäten waren eine Abendmesse in
deutscher Sprache in der neuen katholischen Kirche, eine Frucht- und
Blumenmarkt, vier neue herausgegebe Bücher über Colonia Tovar und fünf neue CD’s
mit venezolanischer und coloniero-deutschen Liedern.
Zwei offizielle Tätigkeiten hoben die Bedeutung des
Treffens hervor, mit der Annäherung der deutschstämmigen Gemeinschaften in
Lateinamerika. Am Tag der Eröffnung, war die Verleihung der
Agustin-Codazzi-Auszeichnung, Erster Klasse (die höchste Auszeichnung von Tovar)
durch Bürgermeister Esteban Bocaranda an Telmo Lauro Müller, Direktor des
Einwanderermuseums in São Leopoldo (Brasilien), in Anerkennung seiner
geleisteten Arbeit. Diese Auszeichnung wurde an Jorge W. Globig, Präsident der
FECAB, übergeben mit der Bitte, sie dem Geehrten zu überreichen. Bürgermeister
Bocaranda erinnerte an seinen Besuch im Museum mit der Delegation von Colonia
Tovar im Jahr 2005, im Anschluss seiner Teilnahme am 3. Treffen in Blumenau.
Als zweiten bedeutenden Akt war die feierliche
Unterzeichnung der Städtepartnerschaft zwischen Pozuzo (Peru) und Tovar
(Venezuela) durch die beiden Bürgermeister Pedro Ubaldo und Esteban Bocaranda,
was die Organisation des 7. Treffens in Pozuzo, Jahr 2009, nur noch einen
stärkeren Ansporn gibt. Hervorgehoben soll auch noch werden, die peruanische
Delegation aus Pozuzo bestand aus 35 Teilnehmern, darunter eine deutsche
folklorische Tanzgruppe.
Die gebotenen Darbietungen in der Hauptstraße von
Colonia Tovar, mit geschmückten Festwagen, folkorischen deutschen Tanzgruppen
von Tovar und Pozuzo und den Jokilis war eine gute Sicht des
deutsch-venezolanischen Kulturlebens in Tovar.
Die Anwesenheite von Gästen aus Endingen (Baden)
hoben die bestehenden kulturellen Kontakte mit Colonia Tovar hervor. So auch die
Alphornbläsergruppe, die mit ihren verschiedenen Auftritten die musikalischen
Beziehungen gut vertraten. Besonders soll das Bestehens der Narrenzunft der
Jokilis in Colonia Tovar genannt werden, eingeführt aus Endingen, womit die
Stadt in Venezuela der einzige Ort Lateinamerikans ist wo Karneval nach
deutschem Modell gefeiert wird.
Nach den Vorträgen wurde von Nilo Franck, dem
Koordinator des Organisationskomitees des 6. Treffens, Informationen über Juiz
de Fora und Petrópolis gegeben mittels eines Videos, anschließend mit dem Gruß
des Bürgermeisters von Juiz de Fora. Allen Anwesenden wurden somit eingeladen
zur Teilnahme am 6. Treffen Anfang September 2008.
Zum Abschluss wurde vom Präsidenten der FECAB die
Kandidatur zum 8. Treffen im Jahr 2010 von Joinville (Brasilien) vorgebracht.
Die grösste Stadt von Santa Catarina, mit ihren rund 500000 Einwohnern und ihrem großen deutschen Charakter, hat den Wunsch
geäußert, das Treffen der Deutschen Gemeinschaften von Lateinamerika zu
organisieren. Diesbezügliche Schreiben an die FECAB gingen ein, gezeichnet von
dem Bürgermeister, Deutschen Ehrenkonsul, Rektor der Universität, Direktor der
Deutschen Schule, Direktor der Industrie- und Handelskammer und deutschen
kulturellen Institutionen von Joinville.
Abschließend, das 5. Treffen in Colonia Tovar hat
bewiesen, dass das von Pietro Sandri Poli konzipierte Projekt sich erfolgreich
weiter entwickelt hat und das Zusammenkommen der deutschstämmigen Ethnien in den
lateinamerikanischen Ländern sich immer weiter entwickelt. Somit unseren besten
Dank an Herrn Leopoldo Jahn, Bürgermeister Esteban Bocaranda und Frau Haidy
Collin und allen Teilnehmern des Organisatioskomitees, sowie der ganzen Gemeinde
von Colonia Tovar, und in der Hoffnung eines Wiedertreffens im September 2008 in
Juiz de Fora und Petrópolis.