CAAL 2011 Frutillar
Neuntes Treffen der deutschsprachigen Gemeinschaften
Lateinamerikas
Noveno encuentro de las comunidades de habla alemana
de América Latina
Dra. Migdalia Castillo und Erika
Isabel Maldonado Suhr:
Tovar und sein Jokili
Die Referentin Dra. Migdalia Castilla ist von Beruf Psychologin und lebt
seit 25 Jahren in Tovar. Teil II des Referates, «Der Jokili der Kolonie Tovar –
Alemannisches Brauchtum in Venezuela», stammt von der ebenfalls in Tovar
lebenden Erika Isabel Maldonada Suhr, Chronistin der Narrenzunft von Tovar 1976
e.V. «Jokili-Verein».
Der nachfolgende Text ist von den Organisatoren des Treffens als
Zusammenfassung mit erweiternden Angaben zum Thema des Originalvortrags in
spanischer Sprache erarbeitet.
Das Schwarzwalddorf «Tovar» in den Bergen von Caracas
Im Dezember 1842 wanderten 392 Männer, Frauen und
Kinder aus der Gegend des Kaiserstuhls über Le Havre nach Venezuela aus. Damals
versammelten sich in Endingen Auswanderungswillige vornehmlich aus
Ettenheim, Herbolzheim, Wasenweiler, Wyhl, Forchheim (Kaiserstuhl), Münchweiher,
Oberbergen und auch einige Endinger zu einer abenteuerlichen Reise über den
Atlantik nach Südamerika. In der neuen Heimat wurden sie nach einigen Wirren an
ihrem heutigen Ort angesiedelt. Die Bauern pflanzten Gemüse und Obst an und
brauten auch das erste Bier Venezuelas; sie bauten ihre Häuser im Fachwerkstil.
Die Dorfgemeinschaft blieb bis 1942 mit eigenen Gesetzen unter sich und geriet
nach und nach in Vergessenheit.
Erst mit dem Ausbau der Straße 1964 hielt die Moderne
Einzug in Tovar. Das Dorf ist heute eine beliebte Touristenattraktion
und Wochenendausflugsziel für die Caraqueños, die Einwohner aus der nur 50 km
entfernten Hauptstadt Caracas. Man bietet fast alles zum Verkauf an, was die
Vorfahren vom Kaiserstuhl auch schon kannten: Obst, Gemüse, Pflanzen,
Schwarzbrot, Bier, Sauerkraut, Wurst und selbstverständlich auch den berühmten
Schwarzwälder Schinken. Mit der Zunahme des
Tourismus seit 1969 entstanden Hotels und Restaurants, vielfach im behaglichen
Schwarzwälder Stil, wo man alemannische Hausmannskost, wie Schäufele, Eisbein
oder Blutwurst mit Sauerkraut, und ein kräftiges, am Ort gebrautes Bier sowie
die typischen Süßspeisen bis hin zum Gugelhupf, Germknödel, Apfelstrudel,
Kaiserschmarrn – wohl auch ein wenig der Einfluss bayerisch-österreichischer
Küche – und selbstverständlich die Schwarzwälder Kirschtorte oder Erdbeeeren mit
und ohne Sahne erhält.
Die alemannische Sprache, das «alemán
coloniero», wird von der älteren Generation noch gesprochen. Die jüngste
Generation beherrscht den Dialekt aber kaum noch, weil sich die Einwanderer in
den letzten Jahrzehnten mehr und mehr mit der venezolanischen Bevölkerung
vermischt haben. Aber auch die Einstellung zur Sprache selbst hat sich geändert.
Heute ist das «Dütsch» den Jugendlichen und Kindern eher peinlich, sie wollen in
der Schule nicht gehänselt werden. Doch für die Verantwortlichen in Tovar ist
der Dialekt ein großes Kulturgut, so dass sie alles in ihrer Macht
Stehende tun, um diesen zu erhalten. Der enge Kontakt mit der Partnerstadt
Endingen am Kaiserstuhl, zu dem auch die Ausbildung der Tovarer in
verschiedenen Berufen gehört, fördert den Spracherhalt der Colonia Tovar.
Besondere Aufmerksamkeit unter Einheimischen und
Touristen erfährt der Ort während der Tovarer «Fasnet», der alemannischen
Fastnacht. Es ist vor allem der Initiative und dem handwerklichen Geschick
des vor 3 Jahren verstorbenen Pablo Dürr – er selbst entstammt einer
bekannten Tovarer Einwandererfamilie – zu verdanken, dass auch in Tovar die
Figur des alemannischen Jokili mit über 100 Masken, welche die Tovarer
Narrenzunft zur Fasnet trägt, Einzug gehalten hat. Es gereicht uns
CAAL-Veranstaltern zur Ehre und besonderen Freude, dass Barbara Dürr, die Witwe
von Pablo Dürr, mit einer größeren Gruppe von Teilnehmern aus Tovar zu uns nach
Frutillar gekommen ist. Barbara Dürr stammt selbst aus Forchheim am Kaiserstuhl
und ist die erste Deutsche, die einen Nachkommen der Kaiserstühler Einwanderer
geheiratet hat. Diese Verbindung hat bewirkt, dass die heute existierende enge
Partnerschaft zwischen Tovar und seiner Patenstadt Endingen am Kaiserstuhl
überhaupt erst zustande gekommen ist.
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